11 Sep
Schule in einem anderem Land

Ich vermutete, dass das Klo für die Lehrer mit Wasser betrieben ist. Dies war ein Irrtum. Wenigstens  ist es nicht nur ein Loch im Boden zum hin hocken, sondern ein Loch im Boden, zum drauf sitzen. Ich sollte mir demnächst den Schlüssel für diese Toilette zulegen. Ich habe mir als Herausforderung gesetzt, nicht auf das Klo der Schüler zu gehen. Aus verschiedenen Gründen…

     Der Unterricht beginnt um 8 Uhr, die Stunden gehen jeweils 45min. Zwischen den Stunden sind immer 5min Pause, außer nach der 3. Stunde, dann sind es 15min. Zum essen und so. Mehr Zeit für menschliches wird einem allerdings nicht eingeräumt. Weder als Schüler, noch als Lehrer. Die Toiletten befinden sich außerhalb der Schulgebäude, genau so, wie die Mensa. Selbst zum einfachen Hände waschen muss man nach draußen gehen, weil es in beiden Gebäuden keine Wasserhähne gibt (die Paar, die es im neuen Gebäude gibt, funktionieren nicht). Chronisches zu spät kommen ist also vorprogrammiert.

     Aber dabei bleibt es nicht. Am Donnerstag hatte ich Unterricht mit allen vier 11. Klassen. Die erste Klasse kam ganz normal, die 2. musste man schon aus dem anderen Schulhaus abholen. Natürlich kamen nicht alle mit. Bei der dritten kamen ungefähr ein drittel, 20min zu spät, 3 weitere Hansel nach weiteren 15min. Die letzte Klasse tauchte gar nicht auf… Auf dem Schulhof waren alle Klassen, alle Schüler (gut, ein, zwei waren bestimmt krank), sie haben nur einfach keine Lust, zu bestimmten Unterrichten zu gehen. Unter Schülern ist es das normalste der Welt, dass man einfach das wegfallen lässt, was einem nicht gefällt. Die Lehrer ärgern sich natürlich auch, allerdings kein Vergleich zu in Deutschland.

     Das Selbe ist es mit dem Krank sein. Ich habe von einer Schülerin gehört, dass sie letztes Schuljahr grundsätzlich einen oder zwei Tage in der Woche gefehlt hat.

     Da die Schule nun sehr groß ist, und es nicht einfach so geht, knapp 4000 Schüler unterzubringen, wird in zwei Schichten gelernt. Die erste Schicht fängt um 8 Uhr an, geht meistens bis 13 oder 14 Uhr, für die älteren Klassen. Gleichzeitig fängt die zweite Schicht um 13 Uhr an. Für alle Kinder, die weiter draußen, auf den Dörfern wohnen und einen längeren Anfahrtsweg haben. Der Unterricht hat also noch eine humane Länge, einzig und allein die Lehrer dürfen von 8 bis 17.15 Uhr in der Schule hocken. Und trotzdem wird so viel geschwänzt. Unglaublich, ungreifbar, überaus heftig mit dem Kopf schütteln, über alle maßen mir mit der Hand an die Stirn fassen, für mich. Der Rest zuckt nur mit den Schultern.

     Was den Unterricht an sich betrifft, so gibt es 20 verschiedene Fächer. Wobei dazu gesagt werden muss, dass Russisch und russische Literatur, Geometrie und Algebra und noch weitere Fächer hier getrennt sind. Ein Fach hat man ein- bis drei mal in der Woche. Was auch erklärt, warum die meisten Schüler bei den Fremdsprachen, nach deutschen Verhältnissen, hinterher sind. Ich meine ja, ich war in der 10. Klasse sehr schlecht in Russisch. ETWAS sagen konnte ich trotzdem. Wobei ich wahrscheinlich ähnlich geschaut habe, wie die Englisch-Schüler der einen 10. Klasse, als ich sie gefragt habe, welchen Unterricht sie jetzt haben. Ich habe das Gefühl, dass es mit Deutsch besser läuft, als mit Englisch, an der Schule. Was aber auch daran liegen könnte, dass ich erst ein mal mit Schülern aktiv englisch gesprochen habe. Und das auch nur, weil der Englischlehrer nicht aufgetaucht ist und die Schüler im Deutschunterricht zu laut gewesen wären. Da bin ich dann kurzfristig als Englischlehrerin eingesprungen.

     Die erwähnten Dorfkinder sind noch mal ein Fall für sich. Wie ich erfahren habe, sind meistens ihre Eltern in einem anderen Land als Tadschikistan. Um mehr zu verdienen als in Tadschikistan. Dadurch Wachsen sie bei ihren Großeltern auf, haben wenig Kontakt zu gleichaltrigen Kindern und arbeiten den größten Teil des Sommers auf dem Feld. Bildung steht in den Familien nicht mal an 5. Stelle und so gehen die Kinder nur zu Schule, weil es hier genau so eine Schulpflicht gibt, wie in Deutschland (wie sehr diese durchgesetzt wird, ist mir noch nicht klar). Ich hatte eine Stunde zeichnen in der Klasse. Was ich daraus mitgenommen habe: ich kann definitiv zu wenig Kommandos auf russisch. Demnach war die Klasse so laut, dass ich die Schulklingel am Ende der Stunde nicht gehört habe…

     Es gibt eine Schuluniform. Oder zumindest einen strengen Dresscode. Die Mädchen müssen ein weißes Hemd oder eine weiße Blouse mit einem dunkelblauen bis schwarzen Rock tragen. Wobei Form des Oberteils und Unterteils egal ist, der Rock muss aber über bis mindestens kurz über die Knie gehen. Bei den Jungs ist ein Anzug Pflicht. Auch in dunkelblau bis schwarz. Wobei es ok ist, nur das Hemd zu tragen. Oder Hemd und Weste. Oder Hemd und Jackett. Oder Hemd, Weste und Jackett. Eine Krawatte ist aber immer Pflicht. Die darf aber alle Farben und Muster haben. Und ich muss sagen, es macht schon einen Unterschied, ob die Jungs wie die größten Schluppies, mit Jogginghose und ausgewaschenem T-Shirt zur Schule kommen, oder in den unteren Klassen lauter kleine Businessmänner rumlaufen xD Niedlich sieht es auf jeden Fall aus.

Naürlich gibt es auch an der Schule, in manchen Unterrichten, eine ganz klare Trennung zwischen Mädchen und Jungs. Während die Jungs zum Beispiel Sport haben, räumen die Mädchen den Klassenraum auf. Für Mädchen gibt es den extra Unterricht Handarbeit, der aus stricken und häkeln besteht. Im gegensatz dazu haben die Jungs Handwerken, arbeiten mit Holz oder Metall.

     Die jüngste Lehrerin hier ist 21, was mich sehr schockiert hat. Sie ist natürlich schon verheiratet, hat ein Kind. Aber mehr zu Gebräuchen in diese Richtung, zu einem anderen Mal. Wenn ich genug zusammen bekomme, wird das Thema Hochzeit einen eigenen Eintrag bekommen.

Ich habe herausgefunden, dass bei den Schülern in verschiedenen Klassen, andere Richtungen gefördert werden. Natürlich haben alle Klassen den selben Unterricht. Eine Klasse, die sich aber mehr mit den Geisteswissenschaften beschäftigt, hat zum Beispiel in der Woche eine Stunde mehr russische Literatur oder zweite Fremdsprache, als andere Klassen. Diese haben dafür mehr Mathe, Biologie, Physik oder Chemie. Und wieder andere haben Geschichte, Rechtswissenschaften und Erdkunde mehr. Eigentlich ein sehr interessantes Konzept, würden nicht viele Schüler über die Schuljahre in verschiedene Kassen gesteckt werden. Natürlich ists ok, wenn in den letzten Paar Jahren der Schüler sich für eine Richtung entscheidet. Nur schon die ganz kleinen jedes Jahr wechseln zu lassen, finde ich zu viel. Weder kann man wirkich Freunde finden, noch ist man am Ende in einem Themengebiet wirklich gut… Stell ich mir unglaublich frustrierend vor.

     Und ich habe mal ein Foto von dem Stundenplan gemacht. Dadrauf sind alle Klassen und ihr unterricht von der 8. bis zur 11. Jeder Lehrer hat eine Nummer bekommen und anstatt des jeweiligen Unterrichts, steht dort einfach nur die Nummer des Lehrers. An sich ein recht cooles Prinziep. Es ist nur leider sehr schwer, da durchzublicken.

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