02 Sep
Nach 5 Tagen Tadschikistan

     Mir ist warm, allen anderen ist kalt. Während ich nicht weiß, wie ich mich vor Hitze halten soll, trägt der Rest der Familie Jacken… Irgendwo verständlich, hier waren die letzten zwei Monate durchschnittliche 45ºC. Nichts desto trotz, 30ºC sind immer noch 30 verdammt warme Grad Celsius. Wenigstens gibt es etwas Wind. 

     Ein Paar einzelne Themen, die mir die Tage über den Weg gelaufen sind:

     Muinakhon, ein Freund von ihr und zwei Lehrer, wir alle waren in der Schule, um mich dort an zu melden. Ich brauchte auch einige Dokumente aus der Schule, um mich bei einem bestimmtem Amt zu registrieren. Mir wurde die Schule gezeigt, das alte und das neue Gebäude, die Toiletten. Diese sind leider „traditionell Tadschikisch“, was so viel heißt, wie Loch im Boden, mit schulterhohen Trennwänden, zwischen den Löchern. An dieser Stelle einen großen Dank an das Goethe-Institut, welches der Schule Geld, für den Bau westlicher Toiletten, gegeben hat. Und die Deutschlehrerinnen haben den einzigen Schlüssel dazu. Abgesehen davon, das es nur knapp 25 Toiletten für jedes Geschlecht gibt, dass also bei 3000 Schülern ein Problem geben könnte, bin ich froh, dass die Toilette halbwegs sanitärer ist, als gar nicht.

Wie bereits erwähnt, gibt es ein neues Schulgebäude und ganz viele Alte. Das neue Gebäude ist größer, als die Waldorfschule Rostock (Entschuldigung an alle, die diese nicht kennen) und wurde in sechs Monaten erbaut. Für den Präsidenten von Tadschikistan, der die Schule vor 2 Jahren besucht hat. Auf den ersten Blick sieht es auch ganz hübsch und ordentlich aus. Man sieht auf jeden Fall, dass sie sich Mühe gegeben haben. Wenn man genauer schaut, sieht man viele Risse (große) überall. Auch die Struktur an sich, sieht nicht sehr stabil aus. Auf jeden Fall nicht, wenn in der Region hier Erdbeben öfter als gar nicht, vorkommen. Wegen des schnellen Baues und weil es kein gutes, während der Sowjetunion gebautes (ja, genau so habe ich es gehört), Gebäude ist, habe ich noch keine Person gefunden, die dort gerne rein geht oder unterrichtet. Überall sind Kameras und als ich im Büro des Direktors war, konnte man sehen, dass keine Ecke des neuen Gebäudes versteckt bleibt. Etwas komisch, Kameras habe ich hier sonst noch keine gesehen. Nicht mal im Supermarkt (dafür sind dort in jedem zweiten Gang mitarbeiter, was aber nicht schlecht ist). Das alte Gebäude hat oft kein Strom, keine richtige Heizung (es gibt Bilder, wo Kinder vor einem kleinem Ofen, dick angezogen, Flöte spielen). 

Das alte Gebäude sieht in vielen Räumen gleich aus. Bis auf die Räume, in denen Deutsch unterrichtet wird. Hier sind die Türen komplett heil, nicht schräg oder müssen mit einem Fahrradschloss zu gemacht werden. In dem einen Raum steht sogar ein Smartboard… Ich frage mich, was damit passiert, wenn man mit Kerzenlicht lernen muss, weil kein Strom für Licht da ist. Das ist fast genau die gleiche Logik von Deutschland, wie in einen Raum, wo Kreide benutzt wird, diese Teile zu stellen, worauf hin sie kaputt gehen ( der Kreidestaub geht ins Getriebe und richtet dort Schaden an)

Ich fühle mich bei der ganzen Sache sehr zwiegespalten. Einerseits ist es natürlich toll, das Deutschland die Gelder hat, um den Unterricht in einer Schule im Ausland so gut es geht angenehmer zu machen. Andererseits ist es auch ein sehr komisches Gefühl. So, als wäre man etwas besseres, dürfte in gut ausgestatteten Räumen mit richtiger Tür sein, nur weil man Deutsch lernt. Deutsch ist hier privilegierter, als Englisch oder Russisch, weil die Räume besser sind (so fühlt es sich an). Und natürlich ist es die Aufgabe, vom Goethe-Institut, die deutsche Sprache in andere Länder zu tragen und sie dort zu fördern. Deutschland kann nicht eine ganze Schule sanieren lassen, nur weil dort Deutsch unterrichtet wird. Unangenehm ist es trotzdem. Zumindest für mich, als deutsche.


     Viele Bäume sind die ersten 70cm vom Boden nach oben hin weiß. Weil es wohl einen Wurm geben soll, der die Bäume sonst befällt, wenn sie halt aussehen, wie Bäume.


      Was in Deutschland die 5sec Regel ist, ist hier die 5 Tage Regel (wenn Essen runter fällt). Wobei ich nicht ganz weiß, ob es nur ein Witz ist, oder ernst gemeint. Viel Essen ist noch nicht runter gefallen und der Ton war ernst. Genau so, wie als ich gefragt habe, wofür die Küken, die der kleine Bruder von Muinakhon zum Geburtstag bekommen hat, sind. Auf die Frage wurde mir mit ernster Miene gesagt, dass sie in ein paar Monaten zum Essen sind, und danach wurde gelacht. (Ich habe ganz höflich gebeten, man solle mir sagen, sie seien weg gelaufen, wenn es sie zum Essen gibt)


     Körper-technisch bin ich noch ganz gut bei der Sache. Rano, meine Ansprechpartnerin und Deutschlehrerin hier, meinte, dass normaler Weise nach so 10 Tagen Aufenthalt, die Kacke am Dampfen ist. Im Grunde habe ich schon alles durch: Obst mit Wasser aus der Leitung gewaschen, fettiges Essen, viel Essen, Wasser aus einem Schlauch im Park (ich hatte Lust, ein Risiko einzugehen, Tadschiken trinken das ganz normal), rohes Gemüse… Ich denke mal, jetzt macht´s nur noch die Menge. Mehr dazu, nachdem die 10 Tage abgelaufen sind.


     Wenn Zuhause, oder allgemein, gesprochen wird, schaltet mein Kopf schon automatisch ab. Auf der Straße wird zum großen Teil Tadschikisch gesprochen. Aber das Tadschikisch, was in Chudschand gesprochen wird. Also etwas mehr ans Iranische angelehnt. Ich verstehe absolut nix. Zuhause wird ein Mix aus Russisch und Tadschikisch gesprochen, alles in einem Satz. Also auch schwer verständlich. Und wenn dann auf einmal jemand mit mir Spricht, meistens auf Russisch, überhöre ich das oft xD Es würde mich nicht wundern, wenn alle denken, ich habe was mit den Ohren… Wenn ich spreche, ist mein Gehirn dafür umso mehr gefordert. Wenn eine Generation älter als ich dabei ist, spreche ich meistens Russisch, so gut wie ich kann, weil das jeder versteht. Wenn ich nicht weiter komme, versuche ich es mit Englisch oder Deutsch und jemand übersetzt. Wenn ich dann aber in der großen Runde eine Konversation mit der Cousine von Muinakhon anfange (auf Englisch) dann wird es kompliziert. Englisch an sich, geht voll klar. Muinakhon versteht Englisch nicht so gut, also auch manche Wörter auf Deutsch. Dann möchte ich aber auch gleichzeitig endlich mehr Russisch sprechen, es kommen deutsche Wörter dazu, die versteht die Cousine aber nicht immer, also wieder mehr Englisch und in meinem Kopf ist nur ein großes Wirrwarr. Es ist irgendwie schwer zu beschreiben, irgendwo verschwimmen die 3 Sprachen. Und ich will gar nicht erst davon anfangen, wenn ich versuche, die paar Wörter tadschikisch, die ich kann, mit einzubringen… Es ist auf jeden Fall eine große Herausforderung. Denn selbst, wenn ich in ein paar Monaten evtl. besser Russisch spreche, so soll ich mit allen auch gerne Deutsch oder Englisch sprechen, damit sie das auch lernen.


     An dem Tag, wo wir in der Schule und bei der Registrierung waren, sind Muinakhon, ein Freund und ich noch etwas durch die Stadt gelaufen, unter anderem was essen. Kurze Rede, langer Sinn: weil ich mit ihnen Deutsch gesprochen habe, durften wir alle im Restaurant das doppelte Zahlen… Also weniger reden für mich, in Zukunft.


     Dort, wo ich meinen Pass abgeben und mich registrieren musste, sind praktisch nur zwei kleine Fenster in der Wand. Also ganz normale Fenster, umfunktioniert zu einer Art Schalter. Die Fenster sind getönt, man kann von draußen nicht ins Innere schauen, und immer geschlossen. Damit jemand von drinnen bemerkt, dass jemand draußen steht, gibt es eine Klingel. …Wir brauchten 20min, um heraus zu finden, das diese Klingel nicht funktioniert. Und gemerkt haben wir es auch nur, weil jemand anderes an die Scheibe geklopft hat und das Fenster sofort auf ging.


     Ich durfte auf die unangenehme Art herausfinden, dass meine Unterwäsche nicht zu dem Rest der Kleidung, in die Waschmaschine, gehört. Ich konnte mir irgendwo vorstellen, dass Unterwäsche hier nicht einfach draußen aufgehangen wird. Dass ich sie aber auch per Hand waschen muss, ist mir nicht in den Sinn gekommen. 

Auch habe ich herausgefunden, wie ich vermeiden kann, dass mir beim essen jemand alle zwei Minuten sagt, ich solle doch essen („кушать“ auf Russisch, ausgesprochen „kuschat“). Erst nach 5 Tagen ist jemandem eingefallen, mir zu sagen, dass ich „sauber“ machen muss. Wenn es, zum Beispiel, Plov gibt, essen alle von einem riesigen Teller in der Mitte. Und wenn man dann den übrigen Reis, auf der eigenen Seite des Tellers, wieder auf den Haufen in die Mitte schiebt, signalisiert das allen anderen, dass man fertig ist. Ich hoffe, durch diese Erkenntnis, weiteres Überfressen zu verhindern.

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